Krafttier Einhorn

Jeden Tag sein bestes geben
Nachdenklich trabte das Einhorn umher. Noch nie hatte es so viel Chaos auf der Erde gesehen. Überall bildeten sich kleine Grüppchen von anderen Einhörnern, die miteinander tuschelten, doch dem Einhorn war gerade nicht nach Reden zumute.
Immer und immer wieder lief sie im Kreis und trat auf der Stelle umher.
„Sei geduldig. Bald wird es einen Plan geben und jeder von uns bekommt eine Aufgabe. Ich weiß, wie schwer es ist, nichts tun zu können.“, meinte eine Stimme hinter ihr.
Verwundert drehte sie sich um und blickte in die Augen ihres Freundes. „Du hast, recht, ich muss geduldiger sein.“
Doch gerade als sie anfingen miteinander zu plaudern, kam ein Einhorn zu ihnen getrabt, um ihr Aufgaben zur Rettung der Erde zu verteilen.
„Laut dem Alten Rat sollst du zu den anderen Krafttieren gehen und sie dazu ermutigen wieder als Gefährten auf die Erde hinabzugehen.“, meinte das fremde Einhorn.
Etwas überfordert trabte das Einhorn los und machte sich auf den Weg zu den anderen Krafttieren. Sie wusste nicht recht, was sie denn den anderen Wesen sagen sollte, um sie zu überzeugen.
Abrupt blieb sie stehen, als sie die anderen Krafttiere in Gruppen stehend vor sich sah. Der Wolf, der Hase, der Fuchs und so viele mehr standen beisammen und diskutierten aufgeregt.
„Ich geh nicht mehr runter, ich habe zu viel Angst, was mir alles passieren könnte“, meinte der Hase.
„Nun ist jeder auf sich allein gestellt“, meinte der Wolf.
„Hey. Hey! Alle mal herhören!“, versuchte das Einhorn die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nur langsam verstummten die Gespräche. Alle Augen waren nun auf sie gerichtet.
„Seit ihr die Erde verlassen habt, geht alles den Bach runter. Die Menschen und Tiere fühlen sich ohne Gefährten alleingelassen und schutzlos.“
Doch der Wolf warf wütend dazwischen: “ Sie sollten auch auf sich allein gestellt überleben können. Das ist nicht unsere Aufgabe.“ Bestätigendes Gemurmel ging daraufhin durch die Runde.
„Hilfe zu brauchen heißt nicht schwach zu sein, Krafttier Wolf. Es zeugt von Stärke, seine Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.“, entgegnete das Einhorn.
„Irgendwann musste eben eine Grenze gezogen werden, wir müssen uns ja auch selbst schützen“, meinte der Bär von hinten.
„Ich erwarte nicht, dass ihr euch selbst schadet, um anderen zu helfen. Aber vielleicht sollte man die Stärken eines Jeden auch den dementsprechenden Aufgaben zuteilen. Jemand, der verborgene Wunden hat, braucht einen Dachs an seiner Seite, Jemand, der vor einer schwierigen Lebensentscheidung steht, braucht die Weisheit des Elefanten. Würde man diese zwei Krafttiere nun vertauschen, wäre niemandem geholfen!“
„Ein Gefährte zu sein ist nicht immer leicht“, meinte der Hase, „leidet unser Freund, leiden auch wir. Trifft er eine falsche Entscheidung, müssen auch wir die Konsequenzen mittragen.“
„Niemand ist perfekt! Aber man sollte jeden Tag sein Bestes geben, um die Welt ein wenig schöner zu gestalten. Jeder Tag ist eine Chance, etwas Gutes zu tun, ein Lächeln zu zaubern und Fehler zu verzeihen. Man muss das Gute nur eine Chance geben.“ Entschlossen blickte das Einhorn zu den Krafttieren und ebenso entschlossene Augenpaare entgegneten den Blick.
Zufrieden blickte das Einhorn einige Tage später auf die Erde hinab. Sie war erstaunt, wie schnell sich das Chaos gelegt hatte, nachdem die Krafttiere zurückgekehrt waren. Nun musste sich niemand mehr alleingelassen und verloren fühlen.
Auch sein Freund stieß dazu und schien ebenfalls zufrieden das bunte Treiben zu beobachten. „Es heißt, du hast ein paar ziemlich gute Hilfen bei deinem Gespräch gegeben“, meinte er.
„Ich habe nur das getan, was meine Bestimmung ist. Frieden, Reinheit und Geduld auf den Weg geben, und die Möglichkeit, sich selbst zu akzeptieren.“
Sie lächelten sich zufrieden an, ehe ihre Augen wieder auf die Erde wanderten.